Report: „Leider müssen noch mehr Tote befürchtet werden“ – Polizei will in Ahrweiler jetzt mit Hubsc
Ahrweiler, Erftstadt Auch am Tag drei nach der Flutkatastrophe suchen Feuerwehrleute im schwer heimgesuchten Landkreis Ahrweiler (Rheinland-Pfalz) Haus für Haus nach Vermissten. „Alles ist möglich. Wir wissen nicht, was wir in den Kellern finden“, sagt ein Feuerwehr-Abschnittsleiter am Samstag in Bad Neuenahr-Ahrweiler. „Leider müssen noch deutlich mehr Tote befürchtet werden.“
Die Polizei will jetzt in den besonders schwer zugänglichen Regionen im Raum Ahrweiler mit Hubschraubern nach weiteren Opfern der Flut suchen. Das Gebiet werde in Sektoren eingeteilt, und es würden Luftaufnahmen gemacht, teilte die Polizei in Koblenz am Samstag mit. Die Sektoren würden dann von Einsatzkräften systematisch abgesucht. Die Suche soll Sonntagabend bis zum Einbruch der Dunkelheit abgeschlossen sein. Über weitere Suchen werde dann entschieden.
Schon bis Samstagmittag hatte die Polizei mehr als 90 Todesopfer in dem Landkreis gemeldet. Das bei Ausflüglern beliebte Städtchen Bad Neuenahr-Ahrweiler mit Gründerzeit-Bäderarchitektur, Fachwerkviertel und mittelalterlicher Stadtmauer ist in der Nähe des Flüsschens Ahr ein langgezogenes Trümmerfeld. Die Wassermassen sind hier inzwischen zurückgegangen. Doch der Schlamm bedeckt immer noch alles.
Bagger heben Autos an, die sich in den Sturzfluten in den Gassen teils übereinander verkeilt hatten. Tische, Stühle und Bänke, ein Rollstuhl, ein Rollator, eine Schaufensterpuppe und eine antike Nähmaschine – zerstörter und verschlammter Hausrat aller Art steht lang aufgereiht vor den beschädigten Häusern. Auch Geschäfte sind innen voller Schlamm.
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Sachwerte lassen sich meist ersetzen, Menschenleben nie: Das Schlimmste sind die vielen Erfahrungen mit dem Tod. Bad Neuenahr-Ahrweiler wirkt traumatisiert.
Turm aus Autos
Die Fahrzeuge haben sich in den Sturzfluten in den Gassen teils übereinander verkeilt.
(Foto: Getty Images)
Bad Neuenahr-Ahrweiler wirkt traumatisiert
Zerstörter und verschlammter Hausrat aller Art steht lang aufgereiht vor den beschädigten Häusern.
(Foto: Getty Images)
Peter Geller wohnt direkt an der Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert. Er deutet in seinen Hof: „Hier ist eine etwa 70-jährige Tote angeschwemmt worden. Ich habe morgens die 112 angerufen.“ Doch erst nach vielen Stunden sei die Leiche mit einem Lastwagen abgeholt worden. „Die kommen mit den Toten nicht nach“, sagt Geller. Einige hundert Meter weiter berichtet Anwohner Karl-Heinz Conradt: „Ich kenne fünf Leute persönlich, die jetzt 100-prozentig tot sind.“
Einige Schritte weiter schaufelt Thomas Bähr Schlamm aus seinem rund 300 Jahre alten Haus: „Das haben wir gerade erst gekauft.“ Von dem nordrhein-westfälischen Wetter an der Ruhr seien er und seine Frau mit den Schwiegereltern hergezogen, „weil wir hier immer Ferien gemacht haben“.
Auch am Samstagvormittag gibt es in Teilen von Bad Neuenahr-Ahrweiler weder Strom noch Leitungswasser. Bährs blinder Schwiegervater Ernst Hille (85) und seine Schwiegermutter Christiane Hille (84) müssen zusammen mit einem Plastikbehälter Wasser von einem Bach herschleppen – für die Toiletten. Eine andere Anwohnerin, Nicole Wagner, sagt am Samstag, es sollten Dixi-Klos aufgestellt und Behälter mit Trinkwasser verteilt werden: „Die sind aber noch nicht da.“
Etwas weiter entfernt wühlen hochwassergeschädigte Bürger unter dem Dach einer früheren Tankstelle auf dem Boden in Kisten voller Kleidung, Lebensmittel, Spielzeug und Hygieneartikel. Ein kleiner Junge schleppt zwei Packungen mit Klopapier zu seinen Eltern. Die Anwohnerin Ulrike Donner erklärt: „Es gibt hier mehrere Stellen für Sachspenden. Ich habe zwei Nachbarn über 80 in unserem Haus direkt an der Ahr. Denen hole ich Lebensmittel und Toilettenartikel.“
Das Unwetter hat auch Straßen und Brücken im Ahrtal zerstört. In der Kleinstadt Bad Neuenahr-Ahrweiler brauchen Krankenwagen jetzt teils eine Dreiviertelstunde, um zum örtlichen Krankenhaus zu gelangen, wie eine Anwohnerin sagt. „Sie müssen einen riesigen Umweg rauf zur Autobahn fahren.“
Zerstörter Drogeriemarkt
Es wurden extra Stellen für Sachspenden wie Toilettenartikel eingerichtet.
Treibgut unter einer Brücke bei Bad Neuenahr
Das Unwetter hat auch Straßen und Brücken im Ahrtal zerstört.
Auch in Erftstadt, der besonders von der Hochwasserkatastrophe gezeichneten 50.000-Einwohner-Stadt westlich von Köln, räumen die Menschen auf an diesem Samstag. Eine schwarzes Ledersofa, an dem noch der Schlamm der Wassermassen zu sehen ist, steht am Straßenrand. Sandsäcke, die längst nicht mehr gebraucht werden, sind vor Kellerfenstern getürmt. Eine Frau trägt einen Eimer und Putzlappen über die Straße. An anderen Stellen wirkt der Ort so aufgeräumt, als wäre nicht geschehen.
Auf die Brücke über die Bundesstraße 265 darf man nur auf eigene Gefahr. Es stinkt nach Benzin. In einigen Metern Tiefe schwimmt eine braune Brühe, darin liegen Autos wie dahingestreut – einige auf der Seite, andere auf dem Dach. Ein Lastwagen hat ein anderes Auto unter sich vergraben.
Die Bundeswehr räumt mit Panzern auf. Gegen 7 Uhr am Samstagmorgen sei mit den Aufräumarbeiten begonnen worden, sagt Elmar Mettke, der seit 35 Jahren in Erftstadt bei der Feuerwehr arbeitet. Das war möglich, weil das Wasser endlich zurückging. Weiter hinten, in einer zwölf Meter tiefen Senke, steht das Wasser noch hoch. Dort seien Fahrzeuge geortet worden, sagt Pressesprecher Mettke. Auch hier – wie in Ahrweiler – fürchtet man, dass womöglich noch sehr Trauriges zutage gefördert wird.
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