Geldpolitik: Die EZB ist auf dem Weg in den ewigen Nullzins
Geldpolitik Die EZB ist auf dem Weg in den ewigen Nullzins
Mit der Neuformulierung ihrer Leitzinsstrategie verschafft sich die EZB den Spielraum, noch länger an Null- und Negativzinsen festzuhalten. Damit wächst die Gefahr einer neuen Finanzkrise. Ein Kommentar.
Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) vor zwei Wochen ihre neue geldpolitische Strategie (Anhebung des Inflationsziels von „knapp unter zwei“ auf zwei Prozent) bekannt gegeben hatte, folgte heute der nächste Streich. Die Notenbanker änderten ihre Forward Guidance, mit der sie die Öffentlichkeit über ihre Absichten zur Steuerung der Leitzinsen informieren.
Bei der Neufassung der Zinsstrategie handelt es sich um mehr als nur eine semantische Übung. Vielmehr verschafft sie der EZB den Spielraum, noch länger an ihrer Null- und Negativzinspolitik festzuhalten.
Drei Bedingungen für höhere Leitzinsen
So erklärte EZB-Chefin Christine Lagarde nach der Sitzung des EZB-Rats, die Notenbank werde die Leitzinsen so lange auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau halten, bis drei Bedingungen erfüllt sind. Erstens muss die Inflationsrate deutlich vor dem Ende des Projektionszeitraums der EZB die Zielmarke von zwei Prozent erreichen. Der Projektionszeitraum der EZB umfasst regelmäßig das aktuelle Jahr sowie die beiden folgenden Jahre.
Zweitens muss der EZB-Rat davon überzeugt sein, dass die Inflation für den Rest des Projektionszeitraums auf dem Niveau von zwei Prozent bleibt. Drittens muss der Rat der Auffassung sein, dass der fundamentale Inflationstrend, der sich in der Kernrate der Inflation (ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise) widerspiegelt, die Teuerungsrate auch mittelfristig bei zwei Prozent hält. Dabei sei denkbar, dass die Inflation vorübergehend über die Zielmarke von zwei Prozent hinausschießt.
Die EZB setzt ihren expansiven Kurs fort – mit Nullzinsen und einer drastisch steigenden Bilanzsumme. Die Geldpolitik der EZB in vier Grafiken.
Im Klartext heißt das: Selbst wenn die Inflation in den nächsten Monaten deutlich über die Zwei-Prozent-Marke steigt, kann der EZB-Rat mit dem Verweis auf eigene Zweifel an der Nachhaltigkeit des Inflationsanstiegs von Zinserhöhungen absehen. Statt bei ihren Zinsentscheidungen auf die (messbaren) Inflationserwartungen der Finanzmärkte und die der Bürger und Unternehmen zurückzugreifen, machen die Notenbanker selbstherrlich ihre eigene Einschätzung über die Dauerhaftigkeit der Inflation zum Maßstab ihrer Entscheidung.
Die Anleihekäufe gehen weiter
Auf diese Weise verschaffen sie sich den Spielraum, durch das Vorschieben von (in der Sache unbegründeten) Zweifeln an der Nachhaltigkeit höherer Inflationsraten an ihrer ultralockeren Geldpolitik festzuhalten. Im Extremfall lässt sich die längst überfällige Anhebung der Leitzinsen so auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben.
Das hat auch Folgen für die Anleihekäufe der EZB außerhalb ihres Pandemie-Notfallprogramms (PEPP). Da die Käufe erst kurz vor der Anhebung der Leitzinsen beendet werden sollen, zieht das Perpetuieren der Niedrigzinspolitik die Fortdauer der Anleihekäufe nach sich.
Auch die Wertpapierkäufe im Rahmen des PEPP, die mindestens bis Ende März nächsten Jahre fortgeführt werden sollen, könnten in eine weitere Runde gehen. Das Programm solle den inflationsdämpfenden Effekten der Coronapandemie entgegenwirken, sagte Lagarde. Mit dem Hinweis auf die Gefahren für die Konjunktur durch die neue Deltavariante des Corona-Virus lieferte die EZB-Chefin sogleich das Argument, mit dem die EZB das PEPP, dessen Gesamtumfang sich bisher auf 1.850 Milliarden Euro beläuft, in den nächsten Monaten aufstocken oder verlängern könnte.
Die Anhebung des Inflationsziels auf zwei Prozent, die freimütige Duldung von Zielüberschreitungen und die Neufassung der Forward Guidance forcieren die Entwertung des Geldes. Das Ziel dahinter ist die Entschuldung der Staaten durch Inflation. Die Geldnutzer müssen sich daher darauf einstellen, dass die Notenbanker demnächst mit Verweis auf ihre eigenen Zweifel an der Nachhaltigkeit höherer Inflationsraten duodezfürstengleich ökonomische Fakten beiseite wischen, um an ihrer Niedrigzinspolitik festzuhalten.
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Die finanzielle Repression, die Ausbeutung der Sparer durch negative Realzinsen, wird sich daher weiter verschärfen. Dadurch dürfte immer mehr Geld in die Vermögensmärkte fließen und dort die Preisblasen weiter aufpumpen. Platzen diese, steht Europa eine neue Finanzkrise ins Haus. Spätestens dann stellt sich die Frage, ob der Euro noch eine Zukunft hat.
Mehr zum Thema: Die EZB setzt ihren expansiven Kurs fort – mit Nullzinsen und einer drastisch steigenden Bilanzsumme. Die Geldpolitik der EZB in vier Grafiken.
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