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G20-Gipfel der Umwelt-Grad-Ziel im Kampf gegen den Klimawandel

Neapel Ohne Sakko, die Ärmel des zerknitternden Hemds hochgekrempelt, der oberste Knopf offen, tritt Roberto Cingolani an die Mikrofone. „Wie man an meinem Hemd sieht, waren es keine einfachen Verhandlungen“, sagt Italiens Minister für den ökologischen Wandel – und blickt etwas erschöpft in den mit Stuck und Gold verzierten Theatersaal von Neapels Königspalast.

58 Paragrafen umfasst die Abschlusserklärung der Umwelt- und Energieminister, die erstmals in der G20-Geschichte gemeinsam tagten. Eigentlich sollten es 60 werden. Bei zwei zentralen Punkten konnten sich die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, die nicht nur rund 80 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts ausmachen, sondern auch mehr als 80 Prozent der CO2-Emissionen verursachen, nicht einigen.


Der italienischen Regierung ging es darum, dass Ziel von maximal 1,5 Grad Celsius Erderwärmung in die Erklärung zu schreiben. Das ist nicht gelungen. „Es gibt Ökonomien, die extrem abhängig von fossilen Energien sind“, erklärte Cingolani. Es habe lange Diskussionen mit Russland, China und Indien gegeben. Vorerst ohne Erfolg.

Die Länder wollen sich weiter an den Pariser Weltklimavertrag von 2016 halten – damals einigten sich 195 Staaten darauf, die globale Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu beschränken. Für 15 von 20 Staaten liege das zu erreichende Ziel deutlich unter der Zwei-Grad-Grenze, betonte Cingolani. Vor allem Europa, Kanada und die USA würden vorpreschen. „Dieses halbe Grad macht extrem viel aus.“


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Das zweite verfehlte Ziel: Es wurde nicht festgeschrieben, dass die G20 bis 2025 den Kohleausstieg anstreben. „Wir in Italien schaffen das, aber für einige Länder ist das einfach noch zu schnell“, betonte Cingolani.

Trotzdem haben sich auch Russland und China – beide nur virtuell zugeschaltet – in der Abschlusserklärung verpflichtet, die Kohleverstromung auslaufen zu lassen, aber eben ohne Exit-Datum. Beide Themen sollen nun Ende Oktober wieder auf den Tisch kommen, wenn sich in Rom die Staats- und Regierungschefs zum Abschlussgipfel treffen.


Trotzdem ist Cingolani zufrieden. „Bei vielen Feldern haben die Länder eingelenkt, die sie vor vier Monaten noch nicht einmal diskutieren wollten.“ Es sei daher ein absolut wichtiges Kommuniqué, meint der 59-Jährige, der erst seit Februar in der Politik ist. Eigentlich ist er Physiker, führte viele Jahre ein Forschungsinstitut in Genua, das sich mit Robotik und Künstlicher Intelligenz beschäftigt. Im Februar holte Premier Mario Draghi ihn in sein Kabinett.


„Die ökologische Transition ist kein Galadinner, aber wir haben keine Alternative als zusammen in eine Richtung zu arbeiten“, erklärte Cingolani noch zum Gipfelauftakt. „Die wissenschaftlichen Tatsachen des Klimawandels lassen sich nicht ignorieren.“

Die extremen Naturereignisse der vergangenen Monate und Tage – eine Anspielung auf die Flutkatastrophe in Deutschland – würden beweisen, „wie unser System leidet“. Gleiches gelte für die Biodiversität, wo die Bemühungen der Staaten bisher nicht gereicht hätten, um „das Massensterben von Arten“ und die „Zerstörung von Ökosystemen“ zu verlangsamen.

Die Industrie ließe sich nach der Pandemie nicht wieder so aufbauen wie vorher. Es brauche Volkswirtschaften, die die „Interessen des Planeten“ in den Mittelpunkt stellen.

Vision einer globalen Kreislaufwirtschaft






Roberto Cingolani (r.) und John Kerry in Neapel


Italiens Minister für den ökologischen Wandel trifft auf den US-Sondergesandten für die Klimapolitik.

(Foto: action press)


Monatelang wurde die Erklärung vorbereitet, wochenlang in den Arbeitsgruppen der Länder diskutiert. Aus Deutschland reisten Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Staatssekretär Jochen Flasbarth an, der Umweltministerin Svenja Schulze vertrat. Aus den USA war John Kerry, Sondergesandter für das Klima von US-Präsident Joe Biden, mit dabei. Die wichtigsten Beschlüsse: Erstmals wurde die Vision für eine globale Kreislaufwirtschaft verabschiedet, bis 2030 soll sich die „Kreislauffähigkeit von Materialien“ verdoppeln.

Investitionen im Finanzsektor sollen auf nachhaltige Entwicklung und Wachstum ausgerichtet werden. Dabei helfen soll die Arbeit an einer „mehrjährigen Roadmap für nachhaltige Finanzen“. Die G20 wollen auch die Schadstoffemissionen im Seeverkehr bis 2050 stoppen und verpflichten sich zu ehrgeizigen und realistischen „grünen Energiewenden“ in ihren Ländern. Zudem erkennen die G20 eine „grundlegende Rolle der Wissenschaft“ an, auf die sich die Politik stützen muss.

Am Rande des Gipfels kam es zu Protesten von Klimaaktivisten. Sie blockierten eine Autobahnauffahrt und die Einfahrt einer Raffinerie. Das Zentrum um den Tagungs-Palazzo hingegen war weiträumig abgesperrt, der Vorplatz mit Blick über den Hafen bis hin zum Vesuv voller Polizeiautos und schwarzen Delegations-Limousinen. Der Brunnen am Königspalast war umzäunt – und selbst das Gran Caffè Gambrinus, eine Institution am Platz, musste auf der Palastseite seine Rollladen runterlassen.

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