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Corona und Unwetter: Es fehlt an Robustheit und Resilienz


Corona und Unwetter Es fehlt an Robustheit und Resilienz

Ob bei der Flutkatastrophe oder der Coronakrise: Menschen verlassen sich auf das Funktionieren digitaler Systeme, aber diese erweisen sich häufig als nicht robust. Manchmal könnten auch Low-Tech-Lösungen helfen. Ein Gastbeitrag.



Es war vor elf Jahren, im Juli 2010. Da meldeten die deutschen Tageszeitungen, dass in den ICE-Zügen der Deutschen Bahn in hochsommerlicher Hitze die Klimaanlagen ausfielen. Reihenweise kollabierten dehydrierte Passagiere. Schnell stellte sich heraus, woran es lag: Die Klimatisierung funktionierte ab 32 Grad Celsius Außentemperatur nicht mehr. Das System der bequemen High-Tech-Züge war einfach nicht darauf angelegt, eine längere sommerliche „Durststrecke“ durchzustehen. Die Fahrgäste mussten auf Ersatzzüge umsteigen – vermutlich solche, bei denen man die Fenster mühelos öffnen konnte, um frische Zugluft von draußen einzuatmen, ganz wie früher zu Zeiten von Dampflok und traditionellen Waggons.


Es war vor rund 15 Monaten, im Frühjahr 2020. Die Coronawelle begann sich über Deutschland auszubreiten. Der Bedarf an Gesichtsmasken zum Schutz vor Infektionen schoss in die Höhe. Die Nation, weltführend in der Produktion von High-Tech-Equipment der Medizintechnik, hatte keine Masken vorrätig. Die Zeiten des Kalten Kriegs, in denen sich noch überall Lager von Materialien für den Kriegsfall aufgestapelt fanden, gehörten der Vergangenheit an. Und zunächst war auch niemand in der Lage, in kurzer Zeit den Angebotsengpass durch die Umrüstung industrieller Anlagen zu beseitigen. Es dauerte Wochen, bis sich die Lage entspannte – durch Importe und die Herstellung einfacher Low-Tech-Masken.


Vor wenigen Tagen nun wieder ein Versagen der modernen Technologie – diesmal mit besonders grausamen Folgen. Im Westen Deutschlands kommt es zu einem Starkregen, der in seiner Dimension alles sprengt, was es in den vergangenen Jahrzehnten gegeben hat. Die Meteorologen prognostizieren das extreme Wetter. Aber die Menschen werden nicht frühzeitig und nachdrücklich genug gewarnt. Die digitalen Informationssysteme versagen, weil die Netze wegen des Unwetters zusammenbrechen. Und analoge Instrumente wie die traditionelle Sirene gibt es längst nicht mehr, jedenfalls nicht flächendeckend. Die furchtbare Bilanz: Tote in dreistelliger Zahl. Die Menschen werden nachts überrascht, ihre Häuser teils weggeschwemmt von den Fluten.







Schon Corona hatte Lücken im Bevölkerungsschutz aufgezeigt. Nun offenbaren die Überschwemmungen weitere eklatante Mängel, etwa bei der Warnung der Menschen. Sie zu beheben wird Millionen kosten und Jahre dauern.


von Thomas Kuhn, Harald Schumacher, Tobias Gürtler


Was haben diese drei Unglücke – ein technisches, ein medizinisches und ein meteorologisches – gemeinsam? Die Antwort ist einfach: Die Menschen verließen sich vergeblich auf das Funktionieren eines Systems, und dieses System erwies sich als nicht robust und nicht resilient. Es war in allen drei Fällen außerstande, den Herausforderungen der spezifischen Situation standzuhalten, vollständig zu funktionieren. Es ging jeweils um ganz unterschiedliche Krisen: beim ICE die Hitzewelle, bei der Pandemie die Infektionsgefahr, beim Unwetter der Starkregen. Aber gemein ist allen dreien, dass die Abschaffung alter Technologie das Problem verschlimmerte statt es zu lösen.


Darin liegt eine Lektion, über die wir dringend nachdenken müssen: Könnte es nicht sein, dass unsere High-Tech-Welt uns immer mehr in anfällige, labile Strukturen lockt, die im Krisenfall verheerend versagen? Gilt das vielleicht auch für das das gefeierte (teil-)autonome Autofahren, die IT-Sicherheit und die waghalsigen Finanzmarktmodelle, die im Übrigen schon mal – in der Weltfinanzkrise 2007/8 – krachend zusammenbrachen, obwohl mit Nobelpreisen dekorierte Ökonometriker sie entwickelt hatten? Überall das gleiche Phänomen: Was „im Normalfall“ funktioniert, kann im Extremfall ins Verderben führen, auch wenn es noch so clever konstruiert ist.


Das heißt natürlich nicht, dass man die neuen Technologien nicht nutzen sollte und darf. Aber bevor wir weiter – und mit Recht – das Hohelied der Digitalisierung singen und ihr folgen, sollten wir sehr genau Bruchstellen orten lernen, wo es im Falle eines Systemversagens höchst gefährlich und sogar tödlich enden kann. Dies ist nicht nur eine Frage des Katastrophenschutzes im engeren Sinn.


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